Schwäbische Zeitung 16.03.2013: Auf Spurensuche in der Altdorfer Vergangenheit
Der Stammbaum füllt den ganzen Flur: Die Ahnentafel von Daniel Oswald nimmt mehrere Meter an der Wand in seiner Wohnung ein. Sie reicht zurück bis ins 15 Jahrhundert. Vor noch nicht so langer Zeit begann sich der Weingartener für das Thema der Ahnenforschung – auch „Genealogie“ genannt, die Lehre vom Stammbaum – zu interessieren. Vor fünf bis sechs Jahren wurde es zum Hobby. Vergangenes Jahr im November gründete er mit ein paar Gleichgesinnten die „Forschergruppe Oberschwaben“. Das wichtigste Projekt heißt „Weingarten 2024“: Bis in elf Jahren wollen Oswald und seine Mitstreiter ein Ortsfamilienbuch der ehemaligen Pfarrei Altdorf erstellen.
Darin soll nachvollziehbar sein, wer mit wem verwandt ist, wer zu wem gehört. Ein ambitioniertes Projekt, das noch viel Arbeit erfordern wird. Ausgewertet wird der Zeitraum zwischen 1524 und 1724. Rechtzeitig zum 300-Jährigen Jubiläum des Neubaus der Basilika Weingarten soll das Ortsfamilienbuch präsentiert werden.
Als Daniel Oswald mit der Ahnenforschung begann, fand er sich nach kurzer Zeit in einer regelrechten „Szene“ wieder: „Im Internet läuft da einiges, man tauscht such aus, schiebt sich gegenseitig Daten zu.“ Oft suche man die gleichen Wurzeln, und stelle bei der Recherche fest, dass man minimal miteinander verwandt sei. „Die Welt ist ein Dorf“, sei ihm klar geworden: „Manchmal fließt ein bisschen etwas vom selben Blut in uns, ohne dass wir voneinander wissen.“ Je länger er sich mit dem Thema beschäftigte, desto mehr packte es ihn. „Man trifft sich in Archiven, lernt sich kennen, als ob man gemeinsam ein Fußballspiel besucht“, beschreibt er. Ein Netzwerk entstand. Und man will immer mehr von der Vergangenheit wissen: „Die Suche wird zur Sucht“, erzählt der 42-Jährige, der beim Landratsamt arbeitet. Man freue sich über neue Hinweise, die man findet. Der Sammelreiz sei ebenfalls ein motivierender Faktor.
Die Forschergruppe Oberschwaben will dabei nicht nur Ahnenforschung betreiben, es geht auch um Heimatkunde. Die Mitglieder wollen heimat-, familien- und wappenkundliches Quellmaterial in Archiven und privaten Beständen suchen – und dann digital sichern, wenn es gefunden ist. Auf diese Weise soll eine Datenbank entstehen, ein öffentlich zugängliches Informationsportal. Es geht auch darum, Wissen für die Nachwelt zu erhalten. Wenn jemand alt sei und nicht wisse, wohin mit dem Nachlass mit heimatgeschichtlichem Bezug, könne man die Daten kostenlos digitalisieren.
40000 Fotos sind auszuwerten
In einem ersten Schritt wertete er nicht massenweise Karteikarten aus alten Pfarreibeständen aus. Zum Gebiet der ehemaligen Pfarrei Altdorf gehörten auch die Gemeinden Baienfurt, Ober- und Unterankenreute. Aufschluss gaben auch Verhörprotokolle aller Herrschaften, die in dem Sprengel der Pfarrgemeinde ihre herrschaftlichen Gebiete hatten: Kloster Weingarten, Landvogtei Schwaben, Herrschaft Waldburg-Wolfegg und Gemeinderatsprotokolle. Rund 40000 Scans und Fotos sind auszuwerten.
Bei den Forschungsarbeiten für das Ortsfamilienbuch beschäftigt sich Daniel Oswald nicht nur mit Familienverhältnissen, er lernt auch viel über die damalige Zeit. Denn in den Verhörprotokollen würden beispielsweise damalige „Untertanen“ schon mal für eine Schlägerei in den Turm gesperrt, bei Brot und Wasser versteht sich. Auch in Archiven in Stuttgart oder in Rottenburg recherchiert die Forschergruppe, kann auf Mikrofilmrollen und Originalarchivalien zurückgreifen. Vergleichbare Gruppierungen gebe es im Oberschwäbischen seines Wissens nach nicht, in Stuttgart und Bayern dann eher, sagt Oswald. „Aber im Südwesten klafft eine Lücke.“ Ansprechen will der Zusammenschluss von Hobbyhistorikern Menschen, die selber auch forschen. „Wir würden uns auch freuen, wenn Heimatforscher mit uns zusammenarbeiten.“
Wer in der Vergangenheit forscht, ist auch mit der Vergänglichkeit konfrontiert. „Ein Mitglied unserer Gruppe recherchiert gerade über einen 200 Jahre alten Mordfall.“ Stichwort Tod: Auch Sterbebilder sind unter den Hobbyforschern begehrt, alte Postkarten ebenso. Auf Flohmärkten kann man diese Dinge teils erstehen. Auch sie könnten Teil der Internetseite werden. Dabei müssen die Sammler allerdings immer auf den Datenschutz achten.
Wer sich mit der Forschergruppe in Verbindung setzen will, kann Daniel Oswald kontaktieren, Telefon 0751/5069437 oder kontakt@forschergruppe-oberschwaben.de . Mehr im Netz: www.forschergruppe-oberschwaben.de